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Marcus Vipsanius Agrippa
#1
[center]WILLKOMMEN IN
ODI ET AMO


NAME:
Marcus Vipsanius Agrippa

LEBENSALTER:
21 (*Sextilis 63 v.Chr.)

WOHNSITZ:
Roma

RANG:
Eques

BESCHÄFTIGUNG/GEWERBE:
Tribunus Angusticlavius (Legatus Legionis)



[/center]

FAMILIE

ELTERN:
Lucius Vipsanius Soranus (* 86 v. Chr. · † 51 v. Chr.)
Vipsania Livineia (* 83 v. Chr. · † 63 v. Chr.)

GESCHWISTER:
Lucius Vipsanius Axilla (* 67 v. Chr.)
Vipsania Polla (* 65 v. Chr.)



ERSCHEINUNGSBILD

Agrippa hat schwarzes Haar, braune Augen und die hellbraune Haut der Menschen des Latiums. Mit knapp fünfeinhalb Fuß Körpergröße überragt er den durchschnittlichen Römer nur minimal, wirkt aber durch seine aufrecht militärische Haltung etwas größer als er in Wirklichkeit ist. Agrippas Statur ist die eines klassischen Auxiliarreiters: Schlank, drahtig, breitbeinig. Sein Gang ist bedächtig aber dennoch zielstrebig, seine Körperbewegungen sind knapp, manchmal etwas linkisch. Auf den ersten Blick macht er auf seine Mitmenschen einen geradezu auffallend unauffälligen Eindruck. Die betont schlicht gehaltene Kleidung trägt er mit einer stillen Verachtung zur Schau. Modische Extravaganzen sind ihm ein Gräuel. Grundsätzlich steht ihm die Lorica weit näher als die Toga, und wenn die Umstände es nötig machen, zivile Kleidung zu tragen, wählt er nur die einfachsten Tuniken, gerne aus ungefärbter Wolle und grobem Leinen. Sandalen trägt er nie. Selbst zu offiziellen Anlässen und Opferritualen erscheint er stets in genagelten Caligae. Erlesenes Geschmeide ist seine Sache ebensowenig wie teure Salben und Duftöle. Der einzige Schmuck, den Agrippa trägt, ist der silberne Fingerring seines Vaters, und was die Körperpflege betrifft, reicht es ihm völlig aus, sich sauber und gepflegt zu fühlen.
Alles in allem ist Marcus Vipsanius Agrippa eine ansehnliche aber keineswegs imposante Erscheinung, deren auffälligsten Eigenheiten aus einem dunkel melancholischen Blick und einer dazu höchst unpassenden tiefen rauen Stimme bestehen.


PERSÖNLICHKEIT

Im Grunde ist Agrippa ein großherziger und gutmütiger, wenn auch zurückhaltender und anfangs schwer zugänglicher Bursche, dem Freundschaft und Loyalität über alles gehen. Wer ihn kennt, weiß das und wer erst einmal sein Vertrauen erlangt hat, kann sich jederzeit blind auf ihn verlassen. Wer ihn jedoch nicht näher kennt, und das gilt bis auf wenige Ausnahmen für alle Menschen, die mit ihm zu tun haben, erlebt ihn als ernsten und distanzierten jungen Mann ohne ausgeprägten Sinn für Humor und bar jeder Empathie. Seinen Gesprächspartnern, gleich welchem Stand sie angehören, ist er ein aufmerksamer Zuhörer, der sich mit eigenen Kommentaren meist zurückhält, das was er zu sagen hat, jedoch mit einer schnörkellosen Direktheit vorträgt, die seinen Gegenüber nicht selten vor den Kopf stößt. Hohle Phrasen und leeres Gewäsch sind ihm verhasst. Intriganten und Lügnern begegnet er mit gnadenloser Härte. Spitze Bemerkungen über seine niedere Herkunft gestattet er ausschließlich seinen Freunden Maecenas und Octavian. Von Dritten geäußert lässt er derartige Anspielungen scheinbar ungerührt an sich abtropfen, verzeiht sie aber niemals und wartet geduldig auf eine Gelegenheit, sich dafür zu revanchieren.

Agrippa taugt nicht für die Winkelzüge der höheren Politik, und das weiß er auch. Sein durchaus vorhandener Ehrgeiz beschränkt sich voll und ganz auf seine jeweiligen Aufgaben, die er wenn es sein muss rücksichtslos und ohne jeden Skrupel erledigt. Ambitionen auf den Konsulat oder andere hohe Ämter hegt er nicht. Er sieht sich vielmehr als die geballte Faust Octavians, die dessen Visonen und Argumenten wenn nötig die entsprechende Durchschlagskraft verleiht. Seine Neigung zu übermäßigem Weingenuss hängt eng mit seinem Hang zur Schwermut und Grübelei zusammen. Beidem frönt er jedoch ausschließlich in den Stunden einsamer Muße oder im Kreis seiner engsten Vertrauten. Den schönen Künsten ist er allgemein nicht sonderlich zugetan, liebt aber Musik und anmutige Tänze, vorzugsweise vorgetragen von dunkelhäutigen Perlen aus den südlichen Ländern, deren Gesellschaft er auch in allen Belangen körperlicher Freuden vorzieht. Am wohlsten fühlt er sich unter Freunden, auf dem Pferderücken oder in der Gesellschaft einfacher Soldaten. Mit Ausnahme des Falerners hat er keine hohen Ansprüche an seine Lebensführung. Er liebt es schlicht und versucht es auch selbst zu sein.


Stärken & Schwächen

+ ehrlich, geradlinig, verlässlich
+ zurückhaltend und genügsam
+ wissbegierig
+ herzlich seinen Freuden gegenüber
+ guter Reiter
+ sehr gute körperliche Verfassung
+ strategisches Geschick

- misstrauisch
- undiplomatisch bis schroff
- distanziert und gefühlskalt Fremden gegenüber
- trinkt mitunter zu viel
- mäßiger Rhetoriker
- neigt zur Schwermut
- nachtragend



Vorlieben & Abneigungen

+ seine Freunde
+ Pferde
+ Natur
+ Ruhe und Einsamkeit
+ exotische Schönheiten, vor allem Nubierinnen.
+ Falerner
+ Zweikampf und militärische Herausforderungen
+ musikalische Darbietungen
+ Loyalität


- Pomp und Protz
- Heuchelei und geziertes Geschwafel
- Unredlichkeit und Treulosigkeit
- die Vetus Nobilitas
- Illyrer
- Marcus Tullius Cicero
- Bemerkungen über seine Herkunft
- überfüllte Städte
- Garum
- Zivilisten



LEBENSGESCHICHTE

I. NARONA (63 – 55 v. Chr.)

Im Sommer des Jahres a.u.c. DCXC wurde Agrippa als zweiter Sohn des Eques Lucius Vipsanius Soranus in Narona, einer kleinen Garnisonsstadt unweit der illyrischen Küste geboren. Ursprünglich bei Arpinum im Latium beheimatet war Soranus drei Jahre zuvor nach Narona versetzt worden, wo er im Rang eines Tribunus das Kommando über die dort stationierte Besatzungseinheit übernommen hatte. Seine Gattin Livineia war zunächst mit ihrem Sohn Lucius Minor und ihrer neugeborenen Tochter Polla auf dem Familiensitz bei Arpinum zurückgeblieben, und folgte ihrem Mann erst im darauffolgenden Jahr nach Narona. Zwei Jahre später brachte sie Marcus Vipsanius Agrippa zur Welt. Völlig entkräftet von den Komplikationen der Geburt starb sie kurz darauf im Kindbett.

Obwohl durch Handel zu bescheidenem Wohlstand gelangt und in der dritten Generation dem Ritterstand angehörend genoss die Gens Vipsania weder Ansehen noch Einfluss und verfügte über keinerlei Beziehungen zur römischen Nobilitas. So verbrachte die Familie die Jahre in Narona ohne nennenswerte gesellschaftliche Kontakte und nahezu isoliert von den Vorgängen in Italia. Agrippa und seine Geschwister wuchsen kaum anders auf als die Kinder der einheimischen Pferdeknechte, mit denen sich Agrippa schnell angefreundet hatte. Zwar wurden die Jungen durch ihren Vater mit der römischen Kultur vertraut gemacht und von Evenor, einem alten Veteranen, schon sehr früh in die Kunst des Reitens und den Umgang mit Gladius und Spatha eingeweiht, in den Genuss einer ihrem Stand geziemenden Erziehungen kamen sie ebenso wenig wie ihre Schwester, da Soranus lange davon ausging, bald abberufen und für höhere Aufgaben in Italia empfohlen zu werden, wo er seinen Söhnen eine angemessene Ausbildung würde ermöglichen können. Aber es geschah nichts dergleichen. Soranus' wiederholtes erfolgreiches Vorgehen gegen rebellierende Illyrer wurden in Rom zwar registriert, eine entsprechende Würdigung erfolgte jedoch nicht. Im Gegenteil. Nach einer höflich formulierten Nachfrage bei Lucius Marcius Philippus setzte der Konsul dem Vipsanier den blutjungen Patrizier Pacidius Flavus als Praefectus vor die Nase. Der wiederum behandelte den weit erfahrenen Tribun fortan wie einen besseren Decurio. Die Absicht, Lucius Vipsanius Soranus mit einer Aufgabe innerhalb der Grenzen des Imperiums zu betrauen, hegte in Rom offensichtlich niemand.

Agrippa war alles andere als unglücklich darüber. Er fühlte sich wohl in Narona. Der raue Ton im Castellum lag ihm mehr als das gespreizte Getue der griechischen und römischen Händler, die den Außenposten regelmäßig besuchten. Die Unterweisungen Evenors ließen ihm noch genügend freie Zeit, um auszureiten oder mit seinem Freund Dardan und dessen hübscher Schwester Ardiana in den lichten Uferwäldern des Naro herumzustreunen. Soranus sah es nicht gerne, dass einer seiner Söhne mit den Kindern eines illyrischen Mulio befreundet war, ließ Agrippa aber widerwillig gewähren. Sein väterliches Augenmerk richtete sich zusehends auf seinen Ältesten Lucius Minor, genannt Axilla, dem es nie in den Sinn gekommen wäre, sich mit niederen Eingeborenen abzugeben, lieber verbrachte Axilla seine Zeit alleine, als mit ungewaschenen Barbarensprösslingen. Agrippa dagegen liebte Dardan und Ardiana über alles und vertraute ihnen blind. Obgleich das Gebiet der illyrischen Dalmati zu jener Zeit lediglich den Status einer römischen Kolonie besaß und noch längst nicht befriedet war, brauchte sich Agrippa in Gesellschaft seiner Freunde nie die geringsten Sorgen zu machen. Niemand aus Dardans' und Ardianas' Sippe schien ihm, einem Sohn der Besatzungsmacht, auch nur den Hauch von Feindseligkeit entgegenzubringen. Glücklich und sorglos bewegte sich der junge Römer unter den Dalmati als wäre er einer von ihnen. Im Grunde war er das sogar, wenn auch nur für kurze Zeit, denn die Kommandoübernahme durch Praefectus Flavus änderte alles.

Vom Tag seiner Ankunft an war Flavus darauf bedacht, sich Respekt zu verschaffen, sowohl beim Volk als auch bei der Truppe. Aus seiner Verachtung für die Illyrer machte er dabei kein Hehl und die Geringschätzung dem niederen Ritterstand gegenüber ließ er Agrippas Familie spüren, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Kleinste Unachtsamkeiten der Soldaten ließ er mit drakonischen Strafen ahnden. Bittsteller, die um eine geringfügige Erleichterung der Korn- und Gemüseabgaben ersuchten, ließ er so lange im Carcer schmoren, bis die Abgaben inklusive Aufschlag von den Sippen der Inhaftierten herbeigeschafft worden waren. Abordnungen wurden mit Knüppeln aus dem Castellum gejagt, Stammesversammlungen mit unverhältnismäßiger Härte aufgelöst und die Waren der Dorfmärkte mit sogenannten Schutzzöllen belegt. Zur Durchführung all dieser Maßnahmen verpflichtete Pacidius Flavus niemand anderen als Lucius Vipsanius Soranus, dem die Bevölkerung bald wider besseres Wissen die alleinige Schuld an den Repressalien zu geben begann. Die Situation eskalierte, als eine aus einheimischen Dalmati bestehende Turma nicht mehr von der Patrouille zurückkehrte und auf Flavus' Befehl hin mehr als drei Dutzend illyrische Bauern zusammengetrieben und festgesetzt wurden. Auf einem Hügel über dem Naro wurden zehn Balkenkreuze aufgerichtet, an denen, wie Flavus bekanntgeben ließ, alle fünf Tage zehn Bauern hingerichtet würden, sollte er keine nachprüfbaren Hinweise auf den Verbleib seiner Reiter erhalten. Den Tag über blieb noch alles ruhig, nach Einbruch der Nacht aber stürmte eine wütende Horde auf den Hügel, erschlug die Wachen, brannte die Kreuze nieder und zog sich dann nach Osten in die Wälder zurück. Am nächsten Tag stießen die ausrückenden römischen Einheiten in den Dörfern des Umlandes nurmehr auf Alte, Frauen und Kinder, alle Männer im kampffähigen Alter waren verschwunden.

Auch Agrippa entging nicht, dass sich rund um Narona etwas zusammenbraute, wirklich besorgt war er aber nicht. Genc, der Vater seiner Freunde, versah weiterhin pflichtbewusst seinen Dienst als Mulio, Dardan und Ardiana standen zu Agrippa wie zuvor. Mehr noch. Als Zeichen ihres Vertrauens machten die Geschwister sogar den Vorschlag, mit Agrippa das Heiligtum ihrer Sippe zu besuchen, um dort einen unverbrüchlichen Bruderschwur zu leisten, der ihre Freundschaft für alle Zeiten besiegeln würde. Agrippa war zutiefst gerührt und ging sofort auf den Vorschlag ein, obwohl jener Tempel wie Dardan sagte etwa zweieinhalb Meilen flussaufwärts lag und Soranus ihm angesichts der gespannten Lage strengstens verboten hatte, Narona zu verlassen. Tags drauf, gleich nach seinen Übungen mit Evenor packte Agrippa Dardan und Ardiana hinter sich auf sein Pferd und folgte Dardans Wegbeschreibung nach Osten. Sie ließen Narona hinter sich und trabten durch dichter werdendes Gestrüpp und schattige Auenwälder den Naro entlang. Zwei Meilen. Drei Meilen. Nach knapp vier Meilen war noch immer kein Tempel in Sicht, stattdessen kamen sie in eine enge felsige Waldschlucht, an deren breitester Stelle mindestens fünf Dutzend illyrische Krieger lagerten, darunter auch die Männer der desertierten Turma. Agrippa verstand die Welt nicht mehr. Seine geliebten Freunde hatten ihn direkt in die Fänge der aufständischen Dalmati geführt. Ohne ein Wort der Erklärung verließen Dardan und Ardiana mit Agrippas Pferd das Lager, begleitet von einer Handvoll Reitern. Agrippa wurde zu einer Felsgrotte am Flussufer geschleppt und dort unter Bewachung gestellt.

Erst später, als er verstummt aber unverletzt wieder zurück im Castellum war, sollte Agrippa erfahren, was in den Tagen nach seinem Verschwinden jenseits der Schlucht vor sich ging. In der Abenddämmerung des ersten Tages erschien eine völlig aufgelöste Ardiana mit Agrippas Pferd bei ihrem Vater Genc und berichtete unter Heukrämpfen, dass die Freunde eine Meile südlich von Narona von einer Gruppe illyrischer Rebellen überfallen worden seien, die Dardan und Agrippa verschleppt und sie selbst mit einer Nachricht an Tribunus Vipsanius Soranus davongejagt hatten. Genc brachte Ardiana sofort zu Soranus und überreichte ihm das ungeöffnete Schreiben. Die Illyrer forderten im Austausch gegen das Leben des jungen Vipsaniers die sofortige Freilassung der inhaftierten Bauern. Darauf konnte Soranus nicht eingehen, allein schon weil er nicht mehr die Befugnisse besaß, eine Freilassung zu veranlassen. Pacidius Flavus ließ sich von der Drohung, den nutzlosen Sohn seines Untergeben zu töten, in keinster Weise beeindrucken. Ihm ging es allein um die römischen Ordnung, und die wurde von den unverschämten Rebellen infrage gestellt. Das einzige Zugeständnis, das Soranus dem Praefectus abringen konnte, war ein befristeter Aufschub der Kreuzigungen. Am frühen Morgen des zweiten Tages rückten zwei Turmae nach Süden aus, folgten der Wegbeschreibung, die Ardiana ihnen gegeben hatte, gerieten eine Meile südwestlich des Naro in einen Hinterhalt und wurden aufgerieben.
In der Nacht zum dritten Tag brachen sowohl in den Kornspeichern des Castellums als auch in den Ställen Brände aus, denen ein Viertel des Getreidevorrates und zwei Dutzend Reittiere zum Opfer fielen. Im ersten Tageslicht ergoss sich auf Flavus' Geheiß eine komplette Cohors Infanterie über Narona, durchstöberte jedes Haus, jeden Schuppen und jeden Pferch, verheerte, verhaftete und verhörte. Vispanius Soranus brach mit fünf Turmae Reiterei zu den umliegenden Dörfer auf und knöpfte sich die verbliebenen Anwohner und ihre Heimstätten vor. In der darauffolgenden Nacht ging die Pfahlbrücke über dem Naro in Flammen auf. Im Verlauf des dritten Tages ließ sich aus den verschiedenen Aussagen allmählich ein schlüssiges Bild konstruieren. Genc wurde festgenommen und auf die Folter gespannt, seine Frau Enkelejda und seine Tochter Ardiana unter Arrest gestellt. Am vierten Tag ließ Flavus entgegen seiner Zusicherung die verkohlten Balkenkreuze durch neue ersetzen und die ersten zehn Bauern kreuzigen. Unterdessen ging die Folter des einstigen Mulios weiter. Er hielt beachtlich lange durch. Als Vipsanius Soranus jedoch Enkeleida und Ardiana in den Kerker bringen ließ, um sie ebenfalls der Folter zu unterziehen, gab Genc auf und redete.

Während all dies geschah wartete Agrippa schicksalsergeben in der feuchten Grotte auf seine Hinrichtung. Ihm war völlig klar, dass die Dalmati ihn nicht am Leben lassen konnten. Egal, gegen wen man ihn auszutauschen gedachte, Flavus würde sich niemals auf einen Handel einlassen. Zudem wusste Agrippa nun, wo sich die Aufständischen üblicherweise versteckten, vor allem aber kannte er jetzt die Wahrheit über Dardan, Ardiana und deren Sippe. Es war wohl unvermeidlich, man würde ihn töten, und mit jedem Tag, der verging, wurde es ihm gleichgültiger. Aber er wurde nicht getötet. Die Wachen ließen ihn zwar hungern, verhöhnten, schlugen und erniedrigten ihn, den Mut jedoch, ihm wirklich die Kehle durchzuschneiden schien keiner dieser ehrlosen Illyrer zu haben. Am Morgen des fünften Tages seiner Gefangenschaft hörte Agrippa in der Ferne plötzlich den hellen Klang eines Lituus, gefolgt von erschrockenem Geschrei und dumpfen Befehlen in illyrischem Dialekt. Aus den Schreckenschreien wurden Schmerzensschreie. Das Donnern von Pferdehufen hallte durch die Schlucht, Holz krachte gegen Holz, Metall gegen Metall, Körper gegen Körper. Agrippas Wachen stürzten davon. Agrippa aber blieb schweigend am Boden der Grotte sitzen. Es waren thrakische Auxiliarreiter, die ihn schließlich entdeckten. Wären es Illyrer gewesen, er hätte er sich geweigert, zu einem von ihnen auf's Pferd zu steigen.

Nach diesen fünf Tagen war Agrippa verschlossen und schweigsam geworden. Weder Polla noch Axilla drangen zu ihm durch, sein Vater schon gar nicht. Nach und nach erfuhr er, was in Zwischenzeit vorgefallen war. Es berührte ihn nicht. Er hatte nichts dazu zu sagen. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, Genc als einer der Drahtzieher hingerichtet, Enkeleida und Ardiana freigelassen. Agrippa verlor nie wieder ein Wort über seine Freundin und ihren verschwundenen Bruder. Sollten sie doch weiter ihr erbärmliches Leben fristen. Sein ganzes Trachten richtete sich von nun an darauf, diese von den Göttern verdammte Weltgegend verlassen zu können. Narona, der Naro, Illyricum, wie er das alles hasste!

Auch in den folgenden Monaten blieb Agrippa wortkarg und unzugänglich. Da ihm Ausritte in die weitere Umgebung künftig untersagt waren und er auf Kontakte zur Bevölkerung nicht mehr den geringsten Wert legte, stürzte er sich umso verbissener auf Evenors Lektionen. Mit der Erfahrung im Gepäck, dass alle Lügen und Vorspiegelungen letztlich nur vor der schieren Gewalt kapitulierten, saugte er alles militärische in sich auf wie ein trockener Schwamm. Jede frei Minute verbrachte er auf dem Übungsplatz oder in den Mannschaftsunterkünften, löcherte Soldaten und Principales mit Fragen zu Kampftechnik, Ausrüstung und Taktik und wurde nicht müde, sich die Erzählungen der altgedienten Veteranen anzuhören. Lucius Vipsanius Soranus beobachtete die Entwicklung seines Jüngsten mit Sorge. Obgleich die Familie in der römischen Hierarchie nur eine demütigend geringe Position einnahm, gehörte sie doch zum Ritterstand, und für die Equites stellte der Militärdienst lediglich einen begrenzten Abschnitt ihrer Ämterlaufbahn dar. Da Axilla ohnehin das Alter erreicht hatte, sich auf seine zukünftigen Pflichten vorzubereiten, und Agrippa sich immer plebejischer gebärdete, entschloss sich Soranus schließlich, seine Kinder in Evenors Begleitung nach Arpinum zu schicken, um möglichst angesehene Römer aus ihnen zu machen und wenn möglich einen geeigneten Heiratskandidaten für Polla anzulocken. So verließ Marcus Agrippa im Frühling des Jahres a.u.c. DCIC Illyricum an Bord einer Corbita. Ohne jedes Bedauern. Nicht ahnend, dass er seinen Vater niemals wiedersehen würde.



II. ARPINUM (55 – 53 v. Chr.)

Das kleine Familiengut der Vipsanier lag etwas außerhalb von Arpinum an einem sanften Berghang über dem Liri, etwa siebzig Meilen südwestlich von Rom. Seit Soranus' Abkommandierung wurden die Geschäfte von Afranius Blasio geführt, einem vierschrötigen Verwalter, der nicht gerade begeistert davon war, die Sprösslinge seines Patrons aufgehalst zu bekommen. Eine Wahl hatte er freilich nicht. Schon im vergangenen Herbst hatte ihn ein Brief aus Illyricum erreicht, in dem Vipsanius Soranus unmissverständlich dargelegt hatte, welche Vorbereitungen bis zum Eintreffen seiner Söhne zu treffen waren. So hatte Blasio zähneknirschend das Haupthaus herrichten lassen, die Wirtschaftsbücher auf den neuesten Stand gebracht und einen griechischen Hauslehrer angestellt.

Agrippa interessierte sich ganz im Gegensatz zu seinem Bruder Axilla kaum für die Feinheiten der Gutsverwaltung und die geschliffene Rhetorik ihres Lehrers Metrophanos. Die ersten Monate auf dem Stammsitz seiner Ahnen verbrachte er fast ausschließlich damit, die Pferde des Gutes zu bewegen und die nähere und weitere Umgebung zu erkunden. Italia war für ihn eine völlig neue Welt. Schon während der zweitägigen Reise von Ortona nach Arpinum hatte er eine erste leise Ahnung von der tatsächlichen Erhabenheit der römischen Zivilisation bekommen. Anders als in der rückständigen Heimat der Dalmati waren die Gehöfte am Wegrand weitläufig und sichtlich durchdacht gebaut, die Anbauflächen ausgedehnt und bestens bewässert. Ehrfurcht gebietende Tempel säumten die Wege und sogar die Fernstraßen waren besser ausgebaut als das neu errichtete Forum in Arona. Er hätte das Latium sofort als neue Heimat akzeptieren können, wären da nicht die Massen an Menschen gewesen und ihre nervtötende Angewohnheit, jeden noch so beiläufigen Nebensatz in geziertes verschnörkeltes Latein zu kleiden, das die Aussage dahinter eher verschleierte als verdeutlichte. Die penetranten Versuche Metrophanos', ihn für das Werk der großen Rhetoriker zu interessieren blieben nicht nur fruchtlos, sie vertieften seine Abneigung gegen die Kunst der wohlgesetzten Rede noch zusätzlich. Dabei hielt Agrippa den Griechen keineswegs für einen schlechten Lehrer, seine Vorträge über die Philosophie faszinierten ihn durchaus und die Ausführungen über die Römische Geschichte vermochten ihn sogar zu begeistern, aber das endlose Wiederkäuen der nicht minder endlosen Reden des Marcus Tullius Cicero ging Agrippa dermaßen auf die Nerven, dass er Cicero abgrundtief zu hassen begann, obwohl er den Mann zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte. Nach einiger Zeit brachte ihn sein Widerwille so weit, sich maulend in die Ställe zu verziehen, sobald Metrophanos Ciceros' Plädoyers auch nur erwähnte.

Dass er mit seinem bockigen Gehabe nun seinerseits sowohl dem Griechen als auch seinem Bruder gewaltig auf die Nerven fiel, entging ihm dabei völlig. Ebenso entging ihm der stetig wachsende Einfluss des Metrophanos auf Axilla. Erst als der Grieche begann, Agrippa eine beachtliche rhetorisches Begabung zu attestieren, wurde er stutzig. Zu spät. Metrophanos und Axilla waren längst übereingekommen, den störrischen Halbwüchsigen loszuwerden und hatten Vipsanius Soranus in zahllosen Briefen davon zu überzeugen versucht, dass das einfache Landleben seinen Jüngsten nur weiter verrohen ließe und es unerlässlich sei, dessen erstaunliche Talente durch kompetentere Lehrmeister zu fördern. Die hinterhältigen Bemühungen der beiden wurden schließlich von Erfolg gekrönt. In einem auffallend unpersönlichen Schreiben verfügte der Pater Familias, dass Agrippa noch vor Einbruch des Winters nach Roma aufzubrechen und sich dort bei einem Onkel seiner verstorbenen Mutter zu melden habe, der von den weiteren Planungen Soranus' bereits in Kenntnis gesetzt worden sei. Ohne ihm auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen, hatte man ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Axilla versicherte ihm scheinheilig, dass dies alles nur zu seinem Bestem geschehe und er selbst ohnehin der geeignetere kommende Gutsverwalter sei. Eilig verfasste Briefe Agrippas an Soranus blieben unbeantwortet. Also fügte er sich widerwillig und verließ Arpinum in Begleitung seines treuen Instrukteurs Evenor an den Kalenden des October a.u.c. DCCI in Richtung Urbs Aeterna.



III. ROMA (53 – 43 v. Chr.)

Hatte Italia für Agrippa eine neue Welt bedeutet, so bedeutete Rom für ihn ein neues Leben. Ein Leben, das – wie ihm sofort klar wurde – rein gar nichts mehr zu tun hatte mit dem einfachen Alltag im Castellum von Narona oder dem beschaulichen Dasein auf dem Familiengut. In dieser vor Menschen, Macht und Energie fast berstenden Metropole, die ihn allein schon durch ihre bloßen Ausmaße vollkommen überwältigte, war er noch nicht einmal der Spross eines niederen Eques, hier war er ein absoluter Niemand, und sein Großonkel Paullus Trebatius Tugio, der ihn mit kühler Höflichkeit in seinem Stadthaus begrüßte, ließ keinen Zweifel daran, dass er für alle Zeiten ein Niemand bleiben würde, wenn er sich von nun an nicht mit aller Kraft seiner Ausbildung widmete. Vipsanius Soranus' briefliche Anweisungen waren ausgesprochen detailliert und ließen keinen Spielraum für Interpretationen. Sein Sohn hatte sich unverzüglich in die Obhut des von Tugio bereits ausgesuchten Grammaticus zu begeben, seine Elementarkenntnisse zu vertiefen und weiter zu entwickeln, bis sich ein geneigter Rhetor dazu herablassen würde, ihn in die Studien der Artes Liberales einzuweihen. Für Agrippa waren das höchst finstere Aussichten. Schlimm genug, dass er sich bis auf Weiteres von Schwertübungen und Ausritten verabschieden musste, nun wurde von ihm erwartet, sich zusammen mit jungen Römern, die er nicht kannte in Lehrstoffe zu versenken, die ihn nicht interessierten, nur um eines Tages ein Ziel zu erreichen, das er gar nicht anstrebte. Eine klassische Militärkarriere wäre ihm weit lieber gewesen, aber was das betraf, würde er bei seinem Vater auf Granit beißen, so viel stand fest.

Da ihm sowieso nichts anderes übrig blieb, fand er sich allmählich drein. Tatsächlich legte er bei seinen Studien mit der Zeit einen gewissen Eifer an den Tag, der in einer ganz bestimmten Fachrichtung allerdings nur vorgetäuscht war. Die übliche Praxis, den Lehrstoff einfach nur stupide nachzusprechen oder auswendig zu lernen, kam seiner zurückhaltenden Art in jedem Fall sehr entgegen, und bevor ein Jahr verstrichen war, hatte er es fertig gebracht, beim Grammaticus den Eindruck zu erwecken, er habe es mit einem fleißigen wissbegierigen Schüler zu tun, der einfach zu bescheiden war, sich rhetorisch hervorzutun. Fleißig und wissbegierig war Agrippa in der Tat, bescheiden auch, aber rhetorische Vorträge boykottierte er weiterhin aus purem Unwillen. Von diesem Relikt infantilen Trotzes einmal abgesehen, reifte er zusehends zu einem kultivierten ernsthaften jungen Römer heran. Zwei Jahre nach Agrippas Ankunft in Rom starb Lucius Vipsanius Soranus an einer mysteriösen Vergiftung.
Tief erschüttert brach Agrippa seine Unterricht ab und kehrte auf das Familiengut zurück. Evenor machte sich auf den Weg nach Narona, um die Überführung von Soranus' Leichnahm zu organisieren. Im Herbst des Jahres a.u.c. DCCIII wurde Vispanius Soranus an der Seite seiner Ahnen in Arpinum beigesetzt. Agrippa verbrachte den kommenden Winter auf dem Gut, und hoffte nun, da sein gestrenger Vater tot war, Axilla doch noch für seinen Eintritt in den normalen Militärdienst gewinnen zu können. Vergeblich. Axilla, neuer Pater Familias, Haupterbe und Träger des Siegelringes, wertete Soranus' letzte briefliche Verfügungen als Testament, aus dem eindeutig hervorging, dass sich Agrippa weiter seiner Bildung zu widmen und sich auf den Cursus Honorum vorzubereiten habe; finanziert durch einen entsprechenden Erbteil, der bis zum Abschluss des Studiums von Paullus Trebatius Tugio verwaltet und nach Gutdünken eingesetzt werden sollte. Dem hatte sich Agrippa zu fügen, ob es ihm behagte oder nicht.

Im folgenden Frühling nahm er seine Ausbildung in Rom wieder auf. Beeindruckt von Agrippas verbissenem Fleiß und den höchst positiven Prognosen des Grammaticus beschloss Tugio nach einigen Monaten, seinem Großneffen noch vor der üblichen Zeit den Zugang zu den Artes Liberales zu ermöglichen. Mithilfe zahlreicher Bittbriefe und unter Aufwendung nicht unbeträchtlicher finanzieller Mittel gelang es ihm schließlich, den hochangesehenen Rhetoren Apollodoros von Pergamon dazu zu bewegen, Agrippa als Schüler anzunehmen. Nun traf Agrippa, der den Privatunterricht im allerkleinsten Kreis gewohnt war, das erste mal auf eine größere Zahl an Mitstudenten, die allermeisten davon blasierte Patriziersöhne, herausgeputzt und schmuckbehangen wie Opferkühe, spitzzüngig und unfassbar arrogant. Von Anfang an sah er sich ätzendem Spott ausgesetzt, der sich wahlweise an seiner Herkunft, seiner einfachen Kleidung oder seinem beschränkten Rednertalent entzündete. Zwar folgten auch ein paar Söhne des Ritterstandes den Lehren des Apollodoros, aber die biederten sich auf peinlichste Weise bei den Sprössen der Nobilitas an und waren Agrippa somit auch keine große Hilfe.

Im ersten Studienjahr hielt ihn nur die Vorfreude auf die Saturnalien und den damit verbundenen Aufenthalt im stillen Arpinum aufrecht. Seine Tage vergingen in trotziger Konzentration, die Abende verbrachte er trinkend und selbstvergessen in Tugios Bibliothek, wo er alle verfügbaren Schriften über Roms große Feldherren wie Scipio, Marius oder Sulla geradezu in sich hineinfraß. Als sich im zweiten Jahr seiner Studien bei Apollodoros die politische Lage aufgrund des Zwistes zwischen Prokonsul Caius Iulius Cesar und dem Senat dramatisch zuspitzte, begann Agrippa mit dem Gedanken zu spielen, sich über die Weisungen seiner Familie hinwegzusetzen und als einfacher Legionarius den Senatstruppen des Pompeius beizutreten. Bereits zu Jahresbeginn hatte Caesar verbotenerweise einen Teil seiner Einheiten nach Italia geführt und bewegte sich mittlerweile überraschend zügig auf Brundisium zu, wohin sich Pompeius Magnus mit den italischen Truppen zurückgezogen hatte, um dem Iulier über das Adriatische Meer hinweg nach Griechenland auszuweichen. Eine taktisch äußerst vernünftige Entscheidung, wie Agrippa fand, denn während Pompeius' in Griechenland seine Armeen aufstockte, würden seine in Hispanien verblieben Legionen Caesar gewiss in den Rücken fallen und ihn so lange beschäftgen, bis Pompeius gestärkt zurückkehren und den Spuk beenden konnte. Das war für Agrippa die Gelegenheit, auf die er schon jahrelang gewartet hatte. Konnte es einen plausibleren Grund geben, sich doch noch zu den Adlern zu melden, als die bedrohte Römische Ordnung gegen einen Aggressor zu verteidigen? Schwerlich. Agrippas' Entschluss stand fest. Er würde sich den versprengten Einheiten des Pompeius als Rekrut anschließen, um seine ritterliche Pflicht zu tun. Allein die Argumente seines neuen Mitstudenten Octavius sollten ihn davon abhalten.


Gaius Octavius, selbst ein Spross des plebejischen Ritterstandes und Großneffe des berüchtigten Prokonsuls, war im vergangenen Herbst erstmals zu Apollodoros' Vorträgen erschienen, und hatte Agrippa vom ersten Tag an durch seine selbstbewusste und gleichzeitig unprätentiöse Art fasziniert. Kultiviert, eloquent, gesegnet mit all den Talenten, die bei Agrippa nur in weit bescheidenerem Maße oder gar nicht vorhanden waren, begegnete Octavius sowohl Apollodoros als auch dessen Studenten mit einer noblen Gelassenheit, die ihn bedeutend reifer und weltgewandter wirken ließ, als seine jugendliche Gestalt es hätte vermuten lassen. Seine Rhetorik war nicht durchsetzt mit dem leeren Zierrat, den Agrippa so verabscheute, sondern klar, schlüssig und überzeugend. Patrizier wie Plebejer respektierten ihn, manche fürchteten ihn, manche schätzen ihn, Agrippa aber entwickelte eine intuitive Zuneigung zu seinem neuen Kommilitonen, die er sich selbst nicht recht erklären konnte. Noch weniger konnte er sich das offenkundig aufrichtige Interesse erklären, das Octavius ausgerechnet ihm, dem wohl unauffälligsten aller Studenten, entgegen brachte. Am allerwenigsten vermochte er nachzuvollziehen, warum seine übliche kühle Distanziertheit Fremden gegenüber in diesem Fall nicht verfing. Octavius' ruhelose Dynamik und Agrippas' bedächtige Entschlossenheit schienen sich auf wundersame Weise zu ergänzen und mündeten schnell in eine tiefe Freundschaft.

Aus Zuneigung und zum Zeichen seines Respektes erzählte Agrippa dem neuen Freund von seinem Vorhaben. Der hörte aufmerksam zu, zeigte sogar ein gewisses Verständnis für seinen Standpunkt, überrumpelte ihn dann jedoch vollkommen mit der Eröffnung, er halte Agrippa für strategisch viel zu begabt, um sich im Mannschaftsdienst zu verschleißen, und habe ihn daher bereits bei seinem Großonkel für einen Posten im dessen Offizierskorps empfohlen. Von jedem anderen hätte Agrippa sich nach diesem Vorschlag verspottet gefühlt, Octavius aber, das hatte er sehr schnell begriffen, war alles andere als ein Schwätzer. Tatsächlich hatten sie schon so einige Diskussionen über militärstrategische Fragen geführt, bei denen Octavius Agrippas Ausführungen stets mit einem anerkennenden Nicken gefolgt war. Ihn deshalb direkt von den Studien weg mit einem Offiziersposten zu betrauen, ohne militärische Erfahrung, noch dazu bei den Truppen des aufrührerischen Iuliers, empfand Agrippa dennoch als ausgesprochen bizarr. Caesar hatte schon als Feldherr in Gallien ein enormes militärische Talent bewiesen und war beim Volk ausgesprochen beliebt, schien aber auch von Machthunger zerfressen und achtete im Grunde kein Gesetz außer die eigenen Regeln. Für einen der alten Ordnung verpflichteten Eques, gab Agrippa etwas halbherzig zu bedenken, käme der Dienst unter Caesar einem Verrat gleich.

Octavius indes ließ all diese Argumente nicht gelten und legte Agrippa stattdessen geduldig seine eigene Sicht der Dinge dar. Gaius Iulius Caesar, führte er aus, habe nicht die Absicht, die alte Ordnung aus reinem Egoismus heraus hinwegzufegen, sondern wolle ihr im Gegenteil zu neuem Glanz verhelfen. So führe er diese letzte große Auseinandersetzung, um endlich den lähmenden und in der Vergangenheit oft blutig geführten Streitigkeiten der patrizischen Allianzen ein für alle mal ein Ende zu setzen. Dafür brauche er besonnene, loyale und motivierte Männer, keine verschlagenen Söldner, die beim ersten Anzeichen von Widerstand die Seiten wechseln. Zudem, fuhr Octavius fort, habe auch er selbst in absehbarer Zeit mit einem Kommando zu rechnen, und brauche in der Truppe jemandem, dem er vertrauen könne. Erfahrungen müsse man einfach machen, nicht von ihnen reden. Und um zu beweisen, dass er hier keine leeren Worte von sich gebe, fordere er Agrippa auf, ihn zu einem Empfang seines Gönners zu begleiten und sich selbst ein Bild zu machen. Agrippa ließ die Worte auf sich wirken, bat sich eine Nacht Bedenkzeit aus, war aber in Wirklichkeit bereits überzeugt, kaum dass Octavius seinen Monolog beendet hatte.

Von nun an nahm sowohl Agrippas als auch Octavius' Leben schlagartig Fahrt auf. Kaum von Brundisium nach Rom zurückgekehrt empfing Caesar die beiden herzlich und bestätigte Agrippa den von Octavius in Aussicht gestellten Posten. Im vorerst nur nominellen Rang eines Tribunus sollte der Vipsanier an der Seite von Caesars Truppenführern seine ersten militärischen Erfahrungen sammeln, um alsbald selbst eine Einheit als Kommandeur übernehmen zu können. Agrippa war begeistert. Nicht nur von der Aussicht auf ein Kommando sondern auch von Caesars unkonventioneller Persönlichkeit. Auch wenn sich die Gerüchte über seinen mehr als ausgeprägten Machtinstinkt inzwischen restlos bestätigt hatten, war Gaius Iulius Caesar doch ein großzügiger und weitsichtiger Mann, der seine Feinde respektierte und die ihm entgegen gebrachte Loyalität seiner Freunde und Gefolgsmänner mehr als gebührend vergalt.
Während Caesar sich nach Hispania aufmachte, um Pompeius' verbliebene Legionen zu bekämpfen, begann Agrippa in der Garnison von Mantua seine militärische Grundausbildung. Im Sommer des darauffolgenden Jahres wurde der inzwischen siegreich heimgekehrte Iulier erneut zum Konsul gewählt, wodurch auch Octavius zu höchsten Ehren gelangte. Noch im selben Jahr wurde er ins Pontifikalkollegium aufgenommen, ein knappes Jahr später übernahm er sogar vorübergehend das Amt des Römischen Stadtpräfekten. Agrippa verbrachte all seine anfangs knapp bemessene freie Zeit bei seinem Freund in Rom, beriet sich mit ihm, schmiedete Zukunftspläne und begleitete ihn zu unzähligen öffentlichen Anlässen und Privatempfängen, wo er mit der Zeit eine stattliche Zahl illustrer Persönlichkeiten kennenlernte. Die beeindruckendste davon war zweifellos Caius Cilnius Maecenas, ebenfalls ein enger Freund von Octavius, der zumindest auf den ersten Blick ein Vertreter ebenjenes Menschenschlages zu sein schien, mit dem Agrippa am wenigsten anfangen konnte. Aber der erste Eindruck täuschte. Wie Agrippas adelige Mitstudenten kleidete sich auch Maecenas nur in allerfeinste Stoffe und trug ebenso wie die verhassten jungen Patrizier ausschließlich erlesenstes Geschmeide spazieren, jedoch aus einer tiefen fast lüsternen Freude an Anmut, Ästhetik und geschmackvollem Luxus, nicht aus Protz und schon gar nicht aus Geltungssucht.
Maecenas liebte die Künste, besaß darüber hinaus einen blitzhellen flinken Geist, und vermochte auch die verschlungensten politischen Ränkespiele zu durchschauen. Auch er war ein zurückhaltender Mann, dessen Art der Zurückhaltung mit derer Agrippas jedoch nicht zu vergleichen war. Wenn Agrippa einem Falken glich, der scheinbar reglos über den Wiesen kreiste, um im passenden Moment zuzustoßen, so erinnerte Maecenas eher an eine Sandviper, die sich kaum wahrnehmbar über den Grund bewegte, und deren Biss man erst bemerkte, wenn es zu spät war. Er war gefährlich und er war Octvaius zugetan, also mochte Agrippa ihn einfach.

Seine beginnende Freundschaft mit Maecenas weiter zu vertiefen, blieb Agrippa allerdings vorerst versagt. Zunächst bedurfte Caesar seiner Dienste. Im Frühjahr a.u.c. DCCVIII traf Agrippa in Africa ein, wo Cäsar gegen Metellus Pius Scipio und Cato Minor, beide Parteigänger des inzwischen ermordeten Pompeius Magnus, zu Felde zog. Wie Caesar ihm zugesagt hatte, erhielt er den Rang eines Tribunus und nahm in den Reihen der Legio Quinta Alaudae an der Schlacht bei Thapsus teil. Nach dem Sieg der Caesarianer erreichte Agrippa die Nachricht, dass sich sein Bruder Axilla Cato Minor angeschlossen hatte und bei den Kämpfen in Gefangenschaft geraten war. Er setzte sich nicht für Axilla ein. Schon vor dem Krieg war das Verhältnis der Brüder nie besonders gut gewesen, und Agrippa fand, dass Axilla alt genug war, um zu wissen was er tat. Außerdem war Caesar für seine Clementia gegenüber Besiegten bekannt, also bestand wohl kein Grund zur Besorgnis. Viel Zeit, darüber nachzudenken, blieb ihm ohnehin nicht, denn Caesar setzte seine Legionen bereits nach Hispania in Bewegung, wo es die unversöhnlichen Nachkommen des Pompeius zu schlagen galt. Im Gegensatz zu seinem Feldherren machte Agrippa keinen Abstecher nach Rom, sondern schiffte sich mit Kurs auf das Aufmarschgebiet um Carthago Nova ein. Angesichts der blutigen Erfahrung von Thapsus verspürte er nicht das geringste Bedürfnis nach den unbekümmerten Ausschweifungen Roms. Allein seine Freunde vermisste er schmerzlich. Umso erfreuter war er, als mit einiger Verzögerung auch Octavius in Caesars Gefolge eintraf. Sowohl Octavius als auch Agrippa erhielten den Befehl über jeweils vier Turmae Reiterei und waren in den folgenden Wochen an zahlreichen Kämpfen und Kommandooperationen beteiligt. In der Schlacht bei Munda nahm Agrippa mit seinen Einheiten am entscheidenden Kavallerieangriff auf Gnaeus Pompeius' rechte Flanke teil. Octavius war nicht direkt an der Schlacht beteiligt, wurde aber nach Abschluss des Hispanischen Feldzuges öffentlich für seine militärische Rolle und seine Tapferkeit geehrt. Agrippa war es recht. Für ihn zählten Ergebnisse, nicht die Frage, wer sie wie, wo und wann herbeigeführt hatte.

Die nun folgende Zeit in Rom verging wie in einem Rausch. Caesars Machtfülle hatte nach dem endgültigen Sieg über die Pompeianer einen neuen Höhepunkt erreicht. Niemand konnte daran zweifeln, dass seine zunächst zeitlich begrenzte Amtszeit als Diktator in der Folge verlängert werden würde. Die gegen ihn opponierenden Senatoren verstummten zwar nicht, wurden aber kleinlaut und vorsichtig. Nur der Agrippa schon seit seinem ersten Rhetorikunterricht verhasste Marcus Tullius Cicero begann, nachdem er Caesar noch ein Jahr zuvor für dessen moralische Größe gelobt hatte, immer erbitterter gegen den Diktator zu polemisieren.
Agrippa schenkte diesen Anfeindungen keine all zu große Beachtung, er war in jenen Tagen voll und ganz damit beschäftigt, mit Octavius und Meacenas Sieg und Wiedersehen zu feiern und sich die Last des Erlebten mit Falerner und den schwarzhäutigen Sklavinnen zu erleichtern, die Caesar zwei Jahre zuvor von seiner Intervention in Ägypten mit nach Rom gebracht hatte. Die mehr als nur großzügigen Donativa Caesars und die von seinem juristisch höchst versierten Freund Maecenas in die Wege geleitete Überschreibung des Familiengutes in Arpinum hatten ihn endlich mit den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet, ein schlichtes aber geräumiges Haus am Hang des Esquilin zu mieten. Axilla war inzwischen zwar frei gelassen worden, aber nicht nach Italia zurückgekehrt. Polla hatte schon vor Jahren einen wohlhabenden Eques geheiratet und lebte in Misenum. Agrippa verspürte keine Sehnsucht nach seinen Geschwistern, er hatte in seinen wenigen Freunden längst neue Brüder und in der Person Caesars eine Art Übervater gefunden. Im Spätsommer a.u.c. DCCIX beendete jener das ausschweifende Leben seiner Schützlinge. Im Rahmen der Vorbereitungen zu einem Partherfeldzug wurden Octavius und Agrippa in Begleitung ihres alten Rhetoren Apollodoros nach Apollonia an der illyrischen Küste beordert, wo sie bis zur Ankunft Caesars ihr unterbrochenes Studium fortsetzen und vertiefen sollten.
Die Freunde stürzten sich voll Vorfreude auf ihre Aufgabe, vernahmen vier Monate nach ihrer Ankunft in Illyricum jubelnd die frohe Kunde von Caesars Ernennung zum Diktator auf Lebenszeit und konnten es kaum erwarten, an der Seite ihres Idols in den Kampf zu ziehen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. An den Iden des Martius a.u.c. DCCX wurde Gaius Iulius Cesar während einer Senatssitzung auf unwürdigste Weise ermordet. Tief bestürzt machten sich Ocratvius und Agrippa unverzüglich auf den Rückweg nach Italia. Obgleich zu jenem Zeitpunkt die genauen Umstände des Attentates noch nicht restlos geklärt und der Inhalt von Caesars Testament noch unbekannt war, wurde Agrippa schon auf der Überfahrt eines völlig klar: Nun war die Stunde seines Freundes Gaius Octavius gekommen.



Kurzbeschreibung des Charakters für unsere Wer-ist-was- Liste

Marcus Vipsanius Agrippa ist der Spross eines unbedeutenden Eques. Seine ersten Lebensjahre verbringt er in einer römischen Garnison im Illyricum. Mit acht Jahren wird er zur Ausbildung zunächst nach Arpinum, später nach Rom geschickt, wo er fünf Jahre später Gaius Octavius, den Großneffen des Prokonsuls Gaius Iulius Caesar und dessen engen Freund Caius Cilnius Maecenas kennen und schätzen lernt. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges tritt Agrippa auf Anregung und Vermittlung Octavius' hin als Offiziersanwärter in Caesars Armee ein. In den folgenden Jahren bewährt er sich bei Kämpfen in Africa und Hispania, und steigt in den Rang eines Tribunus auf. Nach Caesars Ermordung unterstützt er bedingungslos die Ambitionen seines Freundes Octavianus, wird zu dessen militärischer Hand und Truppenbefehlshaber.
Agrippa hat schwarzes Haar und dunkelbraune Augen. Er ist durchschnittlich groß, schlank und in sehr guter physischer Verfassung. Vom Wesen her ist er ehrlich, geradlinig aber zurückhaltend und Fremden gegenüber meist distanziert bis zur Schroffheit. Die Loyalität zu seinen Freunden ist unerschütterlich. Feinden seiner Freunde begegnet er mit Abscheu und bekämpft sie unerbittlich.

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